Wie früher: Kartoffelspätzle mit Wirsingsahne

Mittwoch, 6. Februar 2013

Dieses Gericht mit Wirsing kenne ich noch von meiner Oma. Es ist eines meiner Lieblingsessen als Kind und wurde zuhause schlicht *Grünkraut* genannt. Die Oma kennt es als einfaches Essen mit etwas Brot. Überhaupt wurde früher auf dem Land aus heutiger Sicht unvorstellbar einfältig gegessen. Uropa Isidor hat täglich (!) Pellkartoffeln mit etwas Salz und einem Glas Milch zu Abend gegessen. Damals, als ein Bett für mehrere reichen musste, man im Winter nur einen Raum beheizte und froh war, wenn alle am Tisch satt wurden. Gerade mal zwei Generationen ist das her und doch wie vergessen. Von unserer heutigen, vielfältige Ernhährung mit Zutaten aus allen Ecken der Erde hätte man zu Urgroßeltern-Zeiten nur träumen können.

Wie sehr die Ernährungs-Industrie mittlerweile mitmischelt und Essen immer mehr von der Natur abkoppelt, wäre wahrscheinlich sogar nicht auszumalen gewesen. Darüber mußte ich nachdenken, als ich den Kohl aus dem Garten geputzt habe. Es gibt kein anderes Gemüse im Garten, welches so gut von sämtlichem Getier als familiärer Erst-Aufenthalt gewählt wird wie Kohl. Da gucken dich beim Putzen viele Augen an  ;) - von Raupen, Schnecken, Käfern, Wanzen... Und dann wundere ich mich, dass mir ähnliches nicht widerfährt mit gekauftem Bio-Gemüse. Gibts in deren Gärten keine Freßfreunde, die glauben, man hätte nur für sie kultiviert?

Irgendwie finde ich dieses Wirsing-Gericht ein sehr anständiges Essen, anständig im Sinne von redlich (auch nicht unbedingt ein Wort aus dem heutigen Sprachgebrauch). Wirsing, Kartoffeln, Eier, Mehl kann sich heute eigentlich jeder ums Eck kaufen, und selbst wenn auf gute Qualität geachtet wird, bleibt es eine günstige Mahlzeit.

Für mich, da nun ja auch ein Gericht mit Historie, ist es Soulfood, selbst wenn der Wirsing alleine für sich rein optisch wohl etwas für Heike wäre. Aber der Kohl bekommt durch das lange Anrösten nicht nur seine Unfarbe sondern ein herrliches Aroma. Köstliches Grünkraut! Lediglich die Kartoffelspätzle hätte ich mir mit etwas mehr Biß gewünscht - da werde ich beim nächsten Mal zu Einkorn- oder Dinkelvollkornmehl greifen.
Zutaten:

150g Kartoffeln, gekocht, gepellt
150g Spätzlemehl (m: Dinkeldunst,
besser Einkorn-Vollkornmehl oder Dinkelvollkorn)
2 Eier
2 EL braune Butter
etwas Wasser

1/2 Wirsing (etwa 700g)
1 Zwiebel
2 EL Öl
Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer
(optional: ein Stück Speck)
Kümmel
Muskat
50ml Sahne
1 EL Butter
1 EL Mehl

Zubereitung:

Kartoffeln durch die Kartoffelpresse drücken und mit den anderen Zutaten mit Hilfe eines Holzlöffels so lange schlagen, bis der Teig Blasen wirft (m: Knethacken des Handrührers verwendet). Dann eine halbe Stunde den Teig abgedeckt ruhen lassen.

Vom Wirsing die großen Mittelrippen rauschneiden, waschen und gut abtropfen lassen. Die Zwiebel grob hacken und zusammen mit dem Wirsing in Öl in einem großen Bräter solange unter guter Hitze andünsten, bis der Kohl Farbe angenommen hat (dauert bis das Wasser zudem ganz verdunstet ist etwa 20 min - Röstaromen! - die Nicht-Veggies geben da auch den Speck dazu). Dann die Gemüsebrühe angießen, sodass der Kohl knapp bedeckt ist. Mit einer Prise Kümmel würzen.

Deckel auflegen, Flamme runterdrehen und eine gute halbe Stunde köcheln lassen, bis der Kohl sehr weich ist. Kohl abschütten, dabei eine Tasse von der Flüssigkeit auffangen.

Die Spätzle mit einem Spätzlebrett portionsweise in reichlich Salzwasser schaben und warten bis sie nach oben kommen. Abschöpfen und jeweils mit einem Stück Butter versehen und in einer Schüssel im 100° warmen Ofen warm halten.

Aus Butter und Mehl eine kleine Roux anrühren und von der aufgefangenen Kohl-Gemüsebrühe dazuschütten und gut rühren. Nun den Kohl wieder zuück in den Topf geben (Speck aussortieren) und zusammen mit der kleinen Roux pürieren. Sahne angießen und mit Salz und Pfeffer würzen.

11 Kommentare

  1. schlicht heisst nicht schlecht. Das verwechseln heute so viele.

    AntwortenLöschen
  2. Schaut sehr lecker aus! Kartoffel-Spätzle kenne ich garnicht...

    Könnte ich mir gut zusammen mit Spinat-Spätzle und Käse vorstellen :) Nicht das sie mit dem Wirsing nicht lecker wären ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Mein Großeltern berichten ähnlich (Flucht von Ostpreußen, schlimmer Hungerwinter, da wurde aus Kartoffelschalen Suppe gekocht!). Außerdem spricht nichts gegen schlicht ;-) und das Foto...sagt überhaupt nicht über den wahrscheinlich köstlichen Geschmack!

    AntwortenLöschen
  4. Gerade diese (einfachen) Rezepte sind einfach wunderbar und erst die Erinnerungen. Die Spätzle werde ich gleich heute mal probieren!
    Danke und liebe Grüße
    Ingrid

    AntwortenLöschen
  5. Natürlich kann man Wirsing auch pfannenbraten und dann die schöne Farbe anstarren. Aber nichts nichts nichts kann den Geschmack von anständig geschmortem Wirsing ersetzen!

    AntwortenLöschen
  6. Grade aus einfachen Sachen entstehen doch oft die besten Dinge. Die Kartoffelspätzle sind vorgemerkt; die wird es bald mal geben.

    AntwortenLöschen
  7. Kartoffelspätzle kannte ich bisher auch noch nicht, das muss ich mal ausprobieren!

    AntwortenLöschen
  8. ....du bringst mich auf Ideen... :)

    AntwortenLöschen
  9. Hach, da werden Kindheitserinnerungen wach... wobei ich glaube, dass meine Mutter immer den Fleischwolf ausgepackt hat, um den Wirsing durchzudrehen. Der wurde dann an den Küchentisch angeschraubt und ich wollte immer an der Kurbel drehen.

    AntwortenLöschen
  10. @Robert: Je komplexer die Welt, umso mehr kann das Wesentliche nur im Schlichten liegen.

    @Sandra: Spinat geht ja eh immer - und ist eine meiner Lieblingskombis zu Kartoffel-Spaetzle!

    @Eva: Robert hat es schoen getroffen, schlicht bedeutet nicht automatisch schlecht. Und ja, die Optik gibt hier (ausnahmsweise) keine Rueckschluesse auf den Geschmack. Der Kohl ist naemlich koestlichST :)

    @Ingrid: Fuer Kartoffelspaetzle gibts noch viele Moeglichkeiten, etwa auch mit rohen Kartoffeln. Ebenso veraendert das Mehl ihren Geschmack.

    @Heike: Moeglicherweise wuerde ich es Gaesten nicht vorsetzen, eben halt wegen der Unfarbe. Aber als Alltagskueche ist es ein Hit, etwa als haette man an einem *Bad Hair Day* weltbeste Laune, wenn du verstehst ... :)

    @Magentratzerl: Wenig gute Zutaten, die aber echt gut, dann duerfe jeder Geschmack seinen Kosmos erhalten... rein von der idealen Kuechentheorie her ;O)

    @Mangoseele: Hach seufzzz, ich bin gerade im Land der himmelbesten Mangos... aber dazu ein anderes Mal mehr...
    Ja, siehe auch bei Ingrid, Kartoffel-Spaetzle sind super variabel!

    @Sybille: Dito! Oder wie hat man als Kind frueher gesagt: *Spiegel* :)!

    @Sabine: Oh, da koenntest du recht haben, dass der Wirsing durch den Wolf gedreht wurde! Zu fein soll der hierfuer naemlich gar nicht pueriert sein. Hmmm, doch du koenntest recht haben und es wurde durch den Wolf gedreht!

    AntwortenLöschen
  11. auch bei mir werden Kindheitserinnerungen wach, aber eher unangenehme. Dieser "Köch" wie meine Mutter immer zu diesem Gemüse sagte, wurde in einer Einbrenn (=Mehlschwitze) totgekocht und hat nur nach Pampe geschmeckt. Später habe ich ihn ab und zu selber zubereitet und dann war's auch ok. Mein Lieblingsgemüse ist es aber nie geworden. Vielleicht sollte ich es wieder einmal probieren, nach deinem Rezept.... obwohl die Farbe ist ja nicht grad so verlockend ;-)

    AntwortenLöschen

Für Kommentare gilt: die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) wurden an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.